< zurück        

Kurzbeschreibung
 
   
 
06. November 2007; 19:30 Uhr
Rathaus, Ratssaal

Wolfenbüttel

Rudolf G.A. Fricke
Leibniz-Realschule, Wolfenbüttel

Julius Elster [1854-1920]
und Hans Geitel [1855-1923] -
nobelpreisnominierte Physiker

Forschen, Lehren und Leben in der Provinz

1880 erhielt Hans Geitel seine Anstellung am Wolfenbütteler Gymnasium Große Schule, 1881 folgte ihm Julius Elster nach. Unmittelbar darauf begannen sie mit ihren gemeinsamen wissenschaftlichen Forschungen.

Angesichts ihrer großartigen Leistungen stellt sich die Frage, warum Elster und Geitel ihren Lebensmittelpunkt in der Provinz beibehielten, warum sie nicht als Hochschullehrer an eine Universität gegangen sind. Ihnen wurden Professorenstellen angeboten, aber sie haben diese abgelehnt. Die verfügbaren Quellen geben keine Auskunft über die Gründe. Wir sind also auf Mutmaßungen angewiesen: Offenbar fühlten sie sich in Wolfenbüttel wohl und empfanden die ihnen hier für ihre wissenschaftliche Arbeit gebotenen Rahmenbedingungen als ausreichend.

Die beiden Physiker nahmen aktiv am Vereinsleben ihrer Gesellschaftsschicht teil. Aus der Mitgift und späteren Erbschaften seiner Frau Emilie, die aus der hiesigen Bankiersfamilie Fink stammte, ließ Julius Elster Mittel in die Forschungen fließen. So richtete er beispielsweise ein komfortabel ausgestattetes Privatlabor ein. Am Gymnasium begegneten ihnen Kollegium wie Schüler mit großem Respekt. Außerdem genossen sie an der Großen Schule einige Privilegien, die ihnen für die Durchführung wissenschaftlicher Projekte nahezu frei Hand ließen.

In ihrem nahen Umfeld formierte sich ein kleiner Kreis von Physikern, Chemikern und Ärzten. Bedingt durch deren wissenschaftliche Vorbildung und der Arbeitsschwerpunkte ergab sich eine interessante interdisziplinäre Konstellation mit bemerkenswerten Forschungsergebnissen.

Elster und Geitel waren hervorragende Experimentatoren, die mit innovativen Ideen Messanordnungen und Geräte entwickelten. Für die Umsetzung etlicher ihrer Vorstellungen waren jedoch handwerkliches Können und Werkstoffkenntnisse erforderlich, die sie nicht besaßen. Sie brauchten also Schreiner, Glasbläser, Mechaniker, Instrumentenbauer, die Apparaturen und Instrumente nach ihren Vorgaben herstellten. Im Sog der Aktivitäten von Elster und Geitel etablierte sich in Braunschweig ein weltweit anerkannter wissenschaftlicher Instrumentenbau.

Es gibt, zumal in Elsters Biographie, aber auch eine Schattenseite. Seine Ehe mit Emilie [Mila] Fink blieb kinderlos und verlief unglücklich. Das Leben des Physikers gehörte der Wissenschaft, seine Frau stand abseits. Sie wurde depressiv. In der Hoffnung ihren Gemütszustand aufzuhellen, nahm das Ehepaar 1898 ein Pflegekind an und zwar den damals sechsjährigen Georg Scholz. Der Junge erwies sich jedoch als schwierig. Besonders zur Pflegemutter bestand ein gespanntes Verhältnis. Sie war natürlich auch diejenige, die sich in der Regel mit ihm auseinander zu setzen hatte.

Georg Scholz besaß zeichnerisches Talent und seine Pflegeeltern ermöglichten ihm nach der Schulzeit ein Kunststudium in Karlsruhe. Scholz entwickelte sich zu einem bedeutenden Vertreter der NEUEN SACHLICHKEIT. Er kehrte nicht mehr nach Wolfenbüttel zurück.

Vier Wochen nach dem Tode ihres Mannes nahm sich Mila Elster das Leben.